Der Weg vom ersten 5 km-Lauf bis zum Ultratrail
Stefan Stolle hat erst Ende 2018 mit dem Laufen begonnen. Er ist also das, was man als einen klassischen Spätstarter bezeichnen kann. Stefan, Jahrgang 1983, war bei seinen ersten Laufeinheiten bereits Mitte 30. Seine Motivation war eigentlich körperlich fit zu bleiben, getreu dem Motto „Bewegung ist gut für Körper und Geist“. Da er aber nicht einfach nur so und ohne ein sportliches Ziel laufen wollte, meldete er sich 2019 für seinen ersten Wettkampf an. Es ging nach Essen zum Welterbelauf rund um die Zeche Zollverein. Nach 5 km stoppte die Uhr bei 25:15 min, ein Schnitt knapp über 5 min/km. Eine gute Debützeit und Stefan war der Meinung, dass das noch nicht das Ende seiner Wettkampfkarriere sein sollte. Mit dem Lauf hatte ihn das Laufvirus infiziert, er steigerte sich 2019 beim Halloweenlauf in Duisburg direkt um fast eine Minute auf 24:17 min.
LAZ-Mitglied seit Anfang 2020
Im Jahr 2020 schaute er sich dann nach einem geeigneten Verein um und trat zum 1. Februar dem LAZ bei. Da war allerdings ein anderes Virus unterwegs, das damals nicht nur ambitionierte Hobbyläufer ausbremste. Der Beginn beim LAZ war ausgerechnet zum Zeitpunkt des Ausbruchs der Coronapandemie, als das gemeinsame Laufen erst einmal untersagt war. Am Ende der ersten Coronawelle war aber im Sommer 2020 doch der Premierenstart für das LAZ fällig. Es sollten die 5 km beim Do it fast-Lauf in Dortmund sein. Die Trainingsmonate beim LAZ machten sich sofort positiv bemerkbar und Stefan erreichte mit 22:58 min eine neue PB, die er ein Jahr später beim gleichen Event auf 20:44 min steigerte. Hier deutete sich an, dass auf jeden Fall das Potential vorhanden war, um die Schallmauer von 20 Minuten zu knacken. Parallel zu den kürzeren Laufdistanzen entwickelte sich aber auch das Interesse an den längeren Läufen. Der Einstieg war hier der Röntgenlauf 2021 in Remscheid über die Marathondistanz. Diesen absolvierte Stefan in der Zeit von 4:34:04 Stunden. Das wäre auch für einen normalen Marathon schon eine passable Debützeit gewesen, in Remscheid kam erschwerend hinzu, dass knapp 1.000 Höhenmeter bergauf und gute 800 Höhenmeter bergab zu überwinden waren. Da bekommt die Zeit noch einmal einen anderen Stellenwert.
In den beiden Folgejahren 2022 und 2023 trat Stefan bei verschiedensten Laufveranstaltungen und Meisterschaften an, von 5 km flach bis 71 km rund um Attendorn mit ca. 2.000 Höhenmetern. Auf der 5 km Strecke unterbot er bei der Winteredition im Februar 2023 die 20 Minuten-Schwelle, PB in 19:42 min. Seine 10 km PB lief er bei den NRW-Straßenmeisterschaften in 42:32 min im März 2023 und über die Halbmarathondistanz konnte er beim Phoenixseelauf im Oktober 2023 seine PB auf 1:35:25 Stunden verbessern. Bei den Ultraläufen waren die 71 km rund um Attendorn im April 2023 die längste Distanz, für die Stefan knapp unter 10 Stunden benötigte. Die Teilnahmen 2022 und 2023 beim größten Ultratrailevent in Deutschland, dem Zugspitz Ultratrail, der auf verschiedenen Strecken rund um den höchsten Berg Deutschlands führt, waren aber eine neue Herausforderung. In 2022 nahm Stefan am Supertrail über 68 km teil, ein Jahr später beim Leutaschtrail über 69 km. Hierbei waren Höhendifferenzen von ca. 3.100 m bergauf und ca. 3.500 m bergab zu überwinden. In 2023 brauchte Stefan für die Strecke 11:13:31 Stunden und landete auf Platz 96 von 301 gestarteten männlichen Teilnehmern. Wenn man einmal solche Distanzen absolviert hat liegt es nahe, dass auch irgendwann die Läufe mit den dreistelligen Kilometervorgaben interessant werden. Für Stefan sollte das in 2024 in Erfüllung gehen.
Erste 100 km-Läufe in 2024
Für dieses Jahr bewarb sich Stefan erfolgreich um die Teilnahme am TorTour de Ruhr, der am Pfingstwochenende auf dem Ruhrtalradweg von der Quelle bis zur Mündung gelaufen wurde. Auf der „Kurzdistanz“, den 100 km, die anderen Läufe gehen über 160 und 230 km, bewies Stefan Durchhaltevermögen und schaffte die 100 km in einer guten Zeit von 12:33:27 Stunden. Das bedeutete Platz 23 im Gesamtfeld, das aus 97 Läuferinnen und Läufern bestand, von denen 84 das Ziel erreichten. Im Männerfeld belegte Stefan den 18. Platz. Ein Bericht zum Lauf findet sich hier. Nach der Teilnahme war Stefan gut gerüstet und zuversichtlich den Zugspitzultratrail in diesem Jahr über die Königsdistanz von 106 km durchzustehen. Während der TorTour de Ruhr nur wenige Höhenmeter aufweist wird der Zugspitz Ultratrail teils in hochalpinem Gelände gelaufen. Am Ende müssen ca. 5.500 Höhenmeter sowohl bergauf als auch bergab gemeistert werden.
Am Zugspitz Ultratrail nahmen dieses Jahr insgesamt knapp 4.000 Läuferinnen und Läufer aus 67 Nationen teil, für die die Veranstaltung vom 13. bis 15. Juni ein großes Trailrunning-Fest war. Am Ende erreichten 3.730 Läuferinnen und Läufer in sechs Distanzen – 16 km bis 106 km – das Ziel in Garmisch-Partenkirchen.
Für Stefan begann der Ultratrail-Lauf über 106 km um 22:15 Uhr in Garmisch. Hier eine kleine Zusammenfassung und ein paar seiner Eindrücke zum Rennen: „Nach ca. fünf flachen Kilometern zum Einlaufen kam der erste Anstieg. Die elf Kilometer bis zum ersten Versorgungspunkt am Eibsee verliefen ziemlich angenehm durch die Nacht. Auf dem nächsten Abschnitt über die Gamsalm Richtung Pestkapelle stürzte ich aufgrund der nassen und teils schmierigen Strecke, zog mir aber zum Glück nur ein aufgeschürftes Knie zu. Zusätzlich zum nassen und rutschigen Untergrund wurde es auch noch sehr windig. Jetzt hieß es rauf und über den Wannigsattel und weiter zum höchsten Punkt der Strecke auf 2.190 m. Ab hier ging es nun über diverse, sowohl ungesicherte, als auch mit Seilen gesicherte Schneefelder. Auf der matschigen Strecke mit einigen Bachquerungen und gerölligen Downhillpassagen hieß es auf der gegenüberliegenden Seite wieder 700 Höhenmeter nach oben und anschließenden ca. 900 nach unten Richtung Hämmermoosalm, wo bei bei km 41 der nächste Versorgungspunkt erreicht war. Nach einer kurzen Stärkung waren anschließend ca. 700 weitere Höhenmeter über die Wangalm und das Scharnitzjoch zurückzulegen. Nun hieß es die Kräfte sammeln für den ca. 7 km langen Downhill Richtung Hubertushof wo bei der Hälfte der Distanz – 54km – der Drop Bag mit trockenen Schuhen und Kleidung wartete.
Es folgte eine Flachpassage Richtung Geisterklamm, Mittenwald, kurz ein Stückchen bergan zum Ferchensee und weiter zum Schloß Elmau. Noch war es zum Glück trocken geblieben, allerdings fing es auf dem Weg Richtung Eckbauer und Partnachtklamm dann trotz allem Hoffen an zu regnen und es sollte so schnell auch nicht wieder aufhören. Also Augen zu und durch, zum nächsten Versorgungspunkt, der Laubhütte, ging es dann auf 2 km Laufstrecke 500 Höhenmeter Richtung Cheeringzone der lokalen Trailläufer, den NOMADS, wo alles in einen total dichten Nebel gehüllt war. Dieser hielt sie aber nicht davon ab, jeden einzelnen Läufer lautstark anzufeuern und die letzten Meter den Teufelsstieg hochzubegleiten. Am Kreuzeck wurde dann aufgrund des immer dichter werdenden Nebels auch die Strecke geändert, jeder Läufer der nach 18:30 Uhr das Kreuzeck passierte, durfte direkt runter Richtung Ziel in Garmisch einbiegen. Da ich aber schon um 17:30 dort angekommen war, durfte ich noch die 10 km Runde um den Osterfelderkof antreten. Also hieß es Zähne zusammenbeißen, weitere 500 hm überwinden und das bei minimaler Sicht und dichtem Nebel. Oben angekommen ging es dann nur noch bergab Richtung Ziel. Nach mittlerweile 93 km und ca. 5400 positiven Höhenmetern fiel mir das aber auch ehrlich gesagt gar nicht mehr so leicht. Hilfreich war daher der letzte kleine, von Supportern extra organisierte Versorgungspunkt, wo traditionell immer ein kleiner Schnaps angeboten wird. Also hielt auch ich kurz an und gönnte mir, wie in den letzten beiden Jahren einen kleinen Gin Tonic, atmete noch einmal tief durch und lief den Rest der Strecke Richtung Ziel.
Nach gestoppten 108 km und am Ende 5.500 positiven wie auch negativen Höhenmetern erreichte ich glücklich bei immer noch strömendem Regen nach 22:11:40min auf Platz 114 in der Wertung Master Men das Ziel“.
Beitragsbild Foto Sonnenaufgang von Andi Frank